Als ich klein war (und
teilweise auch jetzt noch, mit 173 cm), wollte ich immer Autorin werden. Geschichten
erzählen, andere auf ein paar Seiten in eine andere Welt entwischen lassen,
eine Welt, die nichts mit ihrer eigenen oder meiner gemein haben musste, welche
aber nach meinen Regeln und Wünschen funktionierte. Deutschunterricht in der
Schule war am schönsten, wenn es um Aufsätze ging. Noch schöner war es, dass
ich da meine Themen vorgegeben bekam: Eine Geschichte über einen Mann, der mit
seinem Hund auf einer einsamen Insel Strandet? Kein Problem. Ein Text, der die
Worte Tomate, Klappstuhl, zuvorkommend, blond und Kaffee kochen beinhaltet?
Nichts einfacher als das. Schreiben, merkte ich schnell, ging so leicht wie
freihändig mit dem Fahrrad den Hügel runterzufahren: Man musste sich nur
trauen, die Gegenwart loszulassen, und schon ging’s von alleine.
Was ich nicht konnte
war, mir von Grund auf etwas einfallen zu lassen. Ich brauchte ein Stichwort,
eine Idee, eine Vorgabe, die von aussen kam. Ich erinnere mich daran, mal
meinem Lehrer gesagt zu haben, als er mich fragte, ob ich nicht mal
Schriftstellerin sein wollte, dass ich mir das sehr wohl vorstellen konnte,
dass das Problem aber sei, dass ich keine Idee hatte, die Stoff für einen längeren
Roman lieferte. Ich war 10 und dachte natürlich an ein 1000-seitiges
Fantasieepos. Kurzgeschichten waren damals noch nicht in meiner Auffassung von
“richtiger” Literatur – schliesslich schrieb ich ja selbst in der Schule kurze
Geschichten und ich war ja erst in der 5 Klasse. Nicht ernstzunehmen also.
Ich war überzeugt
davon, dass ich, wenn ich mal gross bin, und etwas mehr Lebenserfahrung
innehätte, nur so mit Ideen übersprudeln würde. Nun, mein 10 jähriges,
ehrgeiziges Ich hatte teils recht. Hier bin ich nun, 22, sitze in Norwegen und
hätte tausend Geschichten, die ich gerne erzählen würde. Und die ich erzählen
könnte. Tausend Stichworte und Ideen welche immer brav aufgeschrieben auf der Festplatte
meines PCs lagern. Doch ich komme nicht dazu, etwas Produktives damit anzustellen.
Nicht dass ich zu wenig Zeit hätte. Nein, eigentlich verbringe ich viel zu viel
Zeit vor dem Computer ohne dabei etwas Sinnvolles zu tun (Einige von euch
wissen bereits um die grosszügige Art der Norwegischen Universitäten, ECTS-Punkte zu
verteilen. Ich Kriege für mein
2-Stunden-pro-Woche-ein-Semester-lang-und-ein-paar-Texte-lesen-English-Literatur-and-Culture-Seminar
15 Punkte (fünfzehn, fifteen, femten, quinze) nachgeschmissen. Norwegens
Wohlfahrtsstaat macht offenbar auch vor Bologna nicht halt).
Der eigentliche Grund
dafür, dass ich euch nicht schon mit 1000 Einträgen überhäuft habe ist schlicht
und einfach: Faulheit.
Ja, Ich gebe es zu. Es
ist anstrengend, sich hinzusetzen und kreativ zu sein. Die Verlockung besteht,
sich hinzusetzen, das Gehirn auszuschalten und zum 100 mal die Wohnungsannonsen
auf Finn.No durchzugehen. Oder Facebook (Eigentlich wollte ich dieses
Teufelszeug mal löschen. In Norwegen und besonders in Bergen ist dies aber
schier unmöglich: Alles (!) erfährt man über Facebook: Konzerte, Gratis Pizza,
Quartierfeste, Gratis Waffeln, Tanzkurse, Gratis Pancakes…. Alles!!!).
Aber damit konnte mein
10-jähriges Ego ja nicht rechnen. Es war zu sehr damit beschäftigt, im Wald
Drachen zu bekämpfen, als Meerjungfrau durch den Swimmingpool zu schwimmen und
durch das Dachfenster in eine andere Welt zu entschwinden.
Erst heute weiss ich,
dass Klein-Myriam keineswegs ideenlos war. Nur hatte sie nie daran gedacht, die
Geschichten, die sie tagtäglich erlebte, niederzuschreiben. Warum auch? Schliesslich
waren es Dinge, die sich jeder selber ausdenken konnte. Schliesslich erlebte
SIE es ja – und sie war in der 5 Klasse. Nicht ernst zu nehmen also.
Was Klein-Myriam nicht
verstand war, dass längst nicht alle Menschen (und die wenigsten Erwachsenen)
diese Fähigkeit besitzen, welche es ihr selbst erlaubte, stundenlang tagträumend
durch die Welt zu wandern. Und dass ihre Abenteuer keineswegs alltäglich waren.
Heute vermisse ich
diese Fähigkeit etwas. Und wünschte, ich hätte sie behalten können. Sich in einer Traumwelt niederzulassen. Völlig Weltentfremdet zu sein. Stattdessen
bin ich nun erwachsen und (mehr oder
wenig) vernünftig. Ich beschäftige mich mit realen Abenteuern: Bachelorarbeiten,
Erasmusverträgen, Wohnsitzbeantragungen, Zimmersuche. Und diese Dinge sind manchmal
ebenso furchteinflössend und beängstigend wie der bösen Lufthexe zu begegnen,
welche ausserhalb meines Dachfensters hauste. Wünscht mir also Glück.
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