Fra Werden(til)bergen

Bergen on one of the 163 rainless days

Bergen on one of the 163 rainless days
Bergen on one of the 163 rainless days

Saturday 9 April 2016

Besucherzeit oder Let’s eat Cake.

Ein Jahr im Ausland, besonders wenn in nicht allzuweiter Ferne von Zuhause, bringt automatisch mit sich, dass sich diverse langjährige Freunde, verschollene Verwandte, flüchtige Bekannte, vor Jahren weggezogene Nachbarn und der Typ, dem du im Wartezimmer beim Zahnarzt einen Kaugummi geliehen hast, bei dir melden und fragen, ob nicht ein Sofa bei dir frei wäre. Freudig wirst du zusagen und dir im Geiste schon die vielen aufregenden Dinge ausmalen, welche man unternehmen könnte. Besonders Dinge, die ja eigentlich das eigene Budget sprengen, zu denen man dann aber die Erlaubnis hat, weil „ja Besuch da ist und man irgendwas Spezielles machen muss“, sind in der Vorstellung sehr beliebt.

Der Kalender wird voller und voller, Besuch reiht sich an Besuch, die Abfahrt des Zugs des einen überschneidet sich mit der Landung des Flugs des anderen. Ausflüge wollen geplant, Rechnungen bezahlt werden. Staub sammelt sich auf dem Boden schon lange nicht mehr gestaubsaugten kleinen Zimmers, wo man sich zu zweit irgendwie temporär organisiert. Berührungängste? Sind nicht drin. Personal Space? Dream on. Die eigene Introvertiertheit muss auf Eis gelegt werden, sonst kriegt man schnell die Krise. Die eigenen Stadtführermotivationen verringern sich mit jedem neuen Gast, der an die Tür klopft und beschränken sich am Schluss auf ein „da musst du noch hingehen“ mit einer flüchtigen Handbewegung zum Punkt auf der Karte, während man selbst damit beschäftigt ist, Quiz-Duell Fragen zu beantworten. 

Jetzt, da der letzte Besuch vorbei, das Zimmer aufgeräumt und der Geldverbrauch wieder einigermassen in den Normalbereich gependelt sind (ich hab WIEVIEL ausgegeben? Da kann doch etwas nicht stimmen....) und man endlich wiedermal 3 Stunden lang rumgammeln kann, ohne gleich ein schlechtes Gewissen zu kriegen und den Drang verspürt, dem anderen irgendwas bieten zu müssen, kann man getrost einmal auf das ganze zurückschauen und sagen: Schön wars! Immerhin waren einige der Besten Erlebnisse hier an auswertige Besucher geknüpft (Fjordcruises, Bootausflüge, z.B. nach Rosendal, Wanderung am Hardangerfjord, Road Trip an den Geirangerfjord, Mini-Wanderungen um Bergen herum, wie z. B. der Stoltzen oder Pseudo-Løvstakken).

Es gibt jedoch etwas, dass einen wünschen lässt, jeder Tag sei Besuchszeit. Das Essen. Alleine geht man ja nicht ins Restaurant und bestellt den Falaffelburger mit Brie. Und hat schon grössere Hemmungen drei Tage hintereinader ins Café zu gehen, um den besten Apfelkuchen der Welt und einen Café Latte zu konsumieren. Doch zu zweit, zu dritt, oder gar zu viert, tja, da geht sowas schon. Hab mich zu einem richtigen Food-Guide weiterentwickelt. Die billigste und beste Pizza? Café Spesial! Der beste (oben genannte) Burger? Kvarteret! (Mit Brie. Du wirst es nicht bereuen...BRIIEEEE!) Der beste Apfelkuchen? Krok og Krinkel! Der beste Hot Dog? Tre Kroneren!
Doch nicht nur auswärts wird man zum Gourmet. Hat man einen Gast, wird das Frühstück schnell zum Brunch und damit zum wichtigsten Ereignis des Tages, es wird aufgepeppt mit Rauchlachs, Spiegelei, Polarbrödpizza oder Crêpes. So lässt sich’s schon leben. Auch ein bisschen länger.

Vier Tage nach Auszug des letzten temporären Besuchers ist man dann wieder bei einfacher Hausmannskost, bei Pasta und Brot, Joghurt und Müsli. Dem Portmonnaie zuliebe. (Und der Figur?)

Was dazukommt ist, dass man durch die vielen Leute die zu einem in die Ferien fahren, richtig Lust bekommen hat, selber zu verreisen. So war dann auch ziemlich schnell meine Hurtigrutenreise nach Ålesund und Trondheim gebucht. Natürlich mit Sofa-Crashing bei einem Freund in Trondheim. 
Ein regelrechtes Muss, bei so vielem angesammelten Gastgeberkarma meinerseits.