Ein Jahr im Ausland, besonders wenn in
nicht allzuweiter Ferne von Zuhause, bringt automatisch mit sich, dass sich
diverse langjährige Freunde, verschollene Verwandte, flüchtige Bekannte, vor Jahren weggezogene Nachbarn und der
Typ, dem du im Wartezimmer beim Zahnarzt einen Kaugummi geliehen hast, bei dir
melden und fragen, ob nicht ein Sofa bei dir frei wäre. Freudig wirst du
zusagen und dir im Geiste schon die vielen aufregenden Dinge ausmalen, welche
man unternehmen könnte. Besonders Dinge, die ja eigentlich das eigene Budget
sprengen, zu denen man dann aber die Erlaubnis hat, weil „ja Besuch da ist und
man irgendwas Spezielles machen muss“, sind in der Vorstellung sehr beliebt.
Der Kalender wird
voller und voller, Besuch reiht sich an Besuch, die Abfahrt des Zugs des einen
überschneidet sich mit der Landung des Flugs des anderen. Ausflüge wollen
geplant, Rechnungen bezahlt werden. Staub sammelt sich auf dem Boden schon
lange nicht mehr gestaubsaugten kleinen Zimmers, wo man sich zu zweit irgendwie
temporär organisiert. Berührungängste? Sind nicht drin. Personal Space? Dream
on. Die eigene Introvertiertheit muss auf Eis gelegt werden, sonst kriegt man
schnell die Krise. Die eigenen Stadtführermotivationen verringern sich mit
jedem neuen Gast, der an die Tür klopft und beschränken sich am Schluss auf ein
„da musst du noch hingehen“ mit einer flüchtigen Handbewegung zum Punkt auf der
Karte, während man selbst damit beschäftigt ist, Quiz-Duell Fragen zu
beantworten.
Jetzt, da der
letzte Besuch vorbei, das Zimmer aufgeräumt und der Geldverbrauch wieder
einigermassen in den Normalbereich gependelt sind (ich hab WIEVIEL ausgegeben?
Da kann doch etwas nicht stimmen....) und man endlich wiedermal 3 Stunden lang
rumgammeln kann, ohne gleich ein schlechtes Gewissen zu kriegen und den Drang
verspürt, dem anderen irgendwas bieten zu müssen, kann man getrost einmal auf
das ganze zurückschauen und sagen: Schön wars! Immerhin waren einige der Besten
Erlebnisse hier an auswertige Besucher geknüpft (Fjordcruises, Bootausflüge,
z.B. nach Rosendal, Wanderung am Hardangerfjord, Road Trip an den
Geirangerfjord, Mini-Wanderungen um Bergen herum, wie z. B. der Stoltzen oder Pseudo-Løvstakken).
Es gibt jedoch etwas,
dass einen wünschen lässt, jeder Tag sei Besuchszeit. Das Essen. Alleine geht
man ja nicht ins Restaurant und bestellt den Falaffelburger mit Brie. Und hat
schon grössere Hemmungen drei Tage hintereinader ins Café zu gehen, um den
besten Apfelkuchen der Welt und einen Café Latte zu konsumieren. Doch zu zweit,
zu dritt, oder gar zu viert, tja, da geht sowas schon. Hab mich zu einem richtigen
Food-Guide weiterentwickelt. Die billigste und beste Pizza? Café Spesial! Der
beste (oben genannte) Burger? Kvarteret! (Mit Brie. Du wirst es nicht bereuen...BRIIEEEE!) Der beste Apfelkuchen? Krok og
Krinkel! Der beste Hot Dog? Tre Kroneren!
Doch nicht nur
auswärts wird man zum Gourmet. Hat man einen Gast, wird das Frühstück schnell
zum Brunch und damit zum wichtigsten Ereignis des Tages, es wird aufgepeppt mit
Rauchlachs, Spiegelei, Polarbrödpizza oder Crêpes. So lässt sich’s schon leben. Auch ein bisschen länger.
Vier Tage nach
Auszug des letzten temporären Besuchers ist man dann wieder bei einfacher Hausmannskost,
bei Pasta und Brot, Joghurt und Müsli. Dem Portmonnaie zuliebe. (Und der
Figur?)
Was dazukommt ist, dass man durch
die vielen Leute die zu einem in die Ferien fahren, richtig Lust bekommen hat,
selber zu verreisen. So war dann auch ziemlich schnell meine Hurtigrutenreise nach Ålesund
und Trondheim gebucht. Natürlich mit Sofa-Crashing bei einem Freund in
Trondheim.
Ein regelrechtes Muss, bei so vielem angesammelten Gastgeberkarma meinerseits.