Leicht nervös klammere ich mich an mein Arbeitsgerät. In der
Theorie weiss ich ja bestens was zu tun ist. Pretend you’re a fish. Ungeschickt
führe ich meine Waffe zurück, immer sehr darauf bedacht nicht aus Versehen
einen Menschen zu fischen. Eins-zwei-drei los schwinge ich die Angelrute über
meinem Kopf hindurch nach vorne. Doch der Köder will nicht lossausen, sondern
bleibt wo er war und baumelte etwa 10 cm von der Kunsstoffspitze herab. Ups,
vergessen die Spule aufzumachen. Nochmals also. Spule auf, Gerät nach hinten,
Schwung nach vorne, loslassen (also nur den Faden, nicht die ganze Rute!) und
los fliegt der Fischähnliche Köder hinaus ins Meer.
Mein erstes
norwegisches Fischabenteuer beginnt.
In Norwegen darf
jeder im Meer Fischen. Man braucht kein Zertifikat.
Fischerausrüstung
kriegt man überall zu einem bescheidenen Preis.
Nur beim Lachs
herrschen andere Regeln, aber ich hab auch keine Lachs-fang-Ambitionen.
Makrelen. Das ist heute mein Ziel.
Wir stehen an
einer Küste mit Blick auf den Fjord, vor uns rasen von Zeit zu Zeit Motorboote
und Jet-Skis vorbei, dann sind es wieder grosse, schwerfällige
Kreuzfahrtschiffe. Trotzdem herrscht eine gewisse Ruhe, was daran liegt, dass
an unserem Ufer niemand anderes zu sehen ist. Nur die gierigen Möven kreisen
immer wieder nahe über uns, schreien „meins, meins, meins“ und drehen dann
wieder ab, weil es nichts zu essen gibt. Noch nicht.
Als ich meine
Angeleinführung beginne, haben wir bereits 6 Fische gefangen. Makrelen und
Köhler, alle schön verstaut in der Kühltasche. Meine Ambitionen sind relativ
gering, trotzdem zucke ich motiviert mit der Angel. Pretent you’re a fish.
Ich hab so meine
Probleme mit Spule und auswerfen; weder links noch Rechtshänder, sondern
irgendwas fischiges mittendrin, das sind nicht gerade die besten
Voraussetzungen für geschicktes Angeln. Trotzdem kriege ich es irgendwie hin,
die Spule nach und nach einzuziehen.
Und dann
geschieht es. Widerstand. Fester. Erst bin ich davon überzeugt, dass sich der
Haken irgendwo im Grund verkeilt hat. Doch nein, da ist ganz klar Bewegung zu
spüren. Ich ziehe, lasse gehen, drehe Spule, ziehe, lasse gehen, drehe Spule. Und
dann sehe ich ihn da zappeln, halb im Wasser, halb schon in der Luft. Ein Gedanke
schiesst durch meine Kopf: Ich hab gerade einen Fisch gefangen! Mit einem
gewissen Stolz durchfüllt bringe ich den Fisch an Land. Den Rest muss zum Glück
nicht ich erledigen; ich schätze, da besteht immer noch eine Gewisse Hemmung.
Motiviert werfe ich
meine Angel wieder aus. Ich frage mich selbst, ob ich das moralisch vertreten
kann, was ich hier mache. Und da ich keine Vegetarierin bin ist die Antwort
ganz klar: ja. Die Welt wäre vermutlich eine bessere, wenn jeder sein Essen
selber jagen müsste. Denn die Botschaft hinter dem Kauf einer Packung
gefrorener Fischstäbchen, welche nichtmal ansatzweise an etwas Lebendes erinnert
ist eine schlimmere: Unwissenheit über Herkunft, Herstellungsweise und sogar
Inhalt wird gebilligt und ist sogar erwünscht. Während ich morgen ganz genau
wissen werde, was ich da esse. Einen Köhler aus Bergen, Hordaland.
Und schon zappelt
es wieder am anderen Ende der Schnur.